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Zygmunt Duczyñski
15. Theatertreffen - OKNO 2012
ANNÄHERUNG
Teil III. Lied.

30. Oktober - 7. November 2012

VERANSTALTUNG

THEATER ZAR

Das Theater ZAR ist eine internationale Theatergruppe, die in Wroclaw durch Praktikanten des Grotowski-Instituts im Rahmen von mehreren Recherchereisen nach Georgien von 1999-2003 gegründet wurde. Während dieser Reisen sammelte die Gruppe viel musikalisches Material, dessen Essenz eine Sammlung von Jahrhundertealten polyphonen Gesängen ist, deren Wurzeln bis zum Beginn unserer Zeitrechnung zurückreichen und die wohl die älteste Form des mehrstimmigen Gesangs darstellen. "ZAR", so heißen die Begräbnislieder der Swanen, einer im Kaukasus, im Nordwesten Georgiens beheimateten Volksgruppe.

Die Arbeit des Theaters ZAR besteht im Versuch, das Theater nicht nur als einen Ort "zum Zuschauen" (griech. "thea" - schauen), sondern vor allem als ein Raum des Hörens zu beschreiben. Aus solch einem Hörvorgang können eindringliche Bilder entstehen, die nicht einmal durch die neueste Theatertechnik erschaffen werden könnten - dann nämlich, wenn der Körper des singenden Schauspielers anfängt zu leuchten und die Energie der Töne und Lieder, die sich in ihm befinden, emaniert.

Für mich ist das Leben musikalische Vibration, das die Donner der ersten Explosionen hörbar macht, wie die ersten menschlichen Stimmen, die uns im Mutterleib erreichen, wo der Mensch bloß als Klang erscheint, wo sogar Gott den Körper der Frau durch das Ohr betritt und der Schauspieler zum Akkord wird, zur vielgestaltigen Figur nach dem Muster antiker Protagonisten. Ich glaube daran, dass der Gesang das Sehen bedingen kann, dass ein Lied die Farbe der Flamme einer Kerze verändern, das sichtbar machen kann, was nicht ausdrückbar ist.
[Jaros³aw Fret]

EVANGELIEN DER KINDHEIT. TRIPTYCHON

Uwertura. Fragmenty o przeczuciach nie¶miertelno¶ci ze wspomnieñ wczesnego dzieciñstwa (Ouvertüre. Fragmente über die Vorahnungen der Unsterblichkeit aus den Errinnerungen an die frühste Kindheit)

Den Impuls zum Projekt Ewangelie dzieciñstwa gab das Interesse für die Anfänge des Christentums. Die Performance oszilliert zwischen zwei Handlungssträngen: die Erzählung der Auferweckung von Lazarus durch die Lippen seiner Schwestern Martha und Maria sowie dem "Zeugnis der Maria Magdalena", die gemäß einiger gnostischer Überlieferungen eine besondere Rolle innerhalb der Gemeinschaft der Aposteln innehatte und mit einer der Schwestern von Lazarus identifiziert wird. Die Textgrundlage sind hierbei die apokryphen Evangielien von Maria Magdalena, Philipp und Thomas, sowie Fragmente von Texten von Fiodor Dostojewski und Simone Weil. Die während der Performance gesungenen Lieder wurden während verschiedener Expeditionenen nach Georgien, Bulgarien und Griechenland zwischen 1999-2003 gesammelt. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Arbeit mit der Musik der Swanen gewesen, einer Volksgruppe im Kaukasus, deren Begräbnislieder bis zu den Anfängen unserer Zeitrechnung zurückreichen. Einen zweiten musikalischen Strang stellen liturgische Lieder aus der griechisch-orthodoxen Möchsrepublik Athos dar. Diese Lieder, die mit dem Osterfest verbunden sind, stellen den letzten Teil der Performance dar, das consolamentum. Die Performance stellt den Versuch das, eine "späte Geschichte des Körpers" zu erzählen - eine Geschichte nach der Liebe, nach der Demütigung, nach dem Tod; es ist die unmögliche Erzählung der Auferstehung.

Cesarskie ciêcie. Próby o samobójstwie (Kaiserschnitt. Ein Versuch über den Selbstmord)

Der Titel der Performance stellt in gewisser Weise eine Metapher der Notwenigkeit des Selbstmordes und eines "selbstmörderischen Zustandes" dar - einer fatalen Kraft, einer erlösenden Kraft, die jeden am Leben erhält. Es geht um die mögliche und gleichzeitig die notwendige Fähigkeit, den eigenen Atem in dem Moment zu verlängern, in dem man in den Adern Glassplitter fühlt, die noch aber nicht bis zum Herz vorgedrungen sind.

Die grundlegende musikalische Struktur der Performance beruht auf mehrstimmigen korsischen Liedern, die von bulgarischen, rumänischen, isländischen und tschetschenischen Einflüssen durchwebt wird. Die Energie der Musik verdankt viel Erik Satie und seiner Einsicht in die Kraft, die jeder einzelne Tropfen Ton trägt. Die traditionelle Musik wurde in dieser Performance in eine zeitgenössische Form übertragen und von einer intensiven Bewegungspartitur ergänzt. Wir können nicht ausdrücken, wie viel diese Performance Aglaja Veteranyi verdankt.

Während der Arbeit an der Performance reisten die Mitglieder des Theaters ZAR mehrmals nach Korsika auf der Suche nach Liedern, die zur Grundlage einer musikalischen Partitur werden könnten. Eine besonders wichtige Erfahrung war hierbei die Teilnahme an einer Osterliturgie in Tox bei Bastia, deswegen stellt die Musik der korsischen Bruderschaften die Kulmination der Performance dar. Auf ihre "Tektonik" wurden bulgarische Lieder gelegt, die wiederum einen der wichtigsten Stränge der musikalischen Dramaturgie darstellen.

Es gibt nur ein wirkliches ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord. Die Entscheidung, ob das Leben sich lohne oder nicht, beantwortet die Grundfrage der Philosophie.
[Albert Camus, Samobójstwo i absurd]

Anhelli. Wo³anie (Anhelli. Rufen)

Eine theatrale Huldigung von Juliusza S³owackiego sowie seiner Reisen aus Neapel ins gelobte Land durch Alexandrien, Cairo und Damaskus.

Das Thema der Performance ist das Phänomen, mit dem sich das Theater messen muss, will es seinen Ort in der Welt erhalten. Es handelt sich um die Frage nach unserer Integrität und der unseres Lebens, unserer Körper. Gleichzeitig ist dies auch das Thema der Besessenheit. Unser Innerstes zum Gefäß eines anderen Lebens machen: vielleicht sogar eines vergangenen Lebens. Es handelt sich um eine "Verengelung", die Besessenheit durch einen Engel.

Wie kann man einen Engel durch den Körper eines Menschen führen; ihm erlauben, dort für einen Moment zu leben? In welcher musikalischen Form? In welchen Vibration? In den Kathedralen unserer Körper lebend, sehen wir nur vergoldete Fassaden. Wichtig für uns ist unsere Lage und unsere Beziehung zu anderen. Das Thema von Anhelli jedoch erfordert eher kleine hölzerne Kirchen, in denen wir alleine bleiben. In Klausur. Statt der Kathedralen - kleine Heiligtümer der Herzen. Kleine Kirchen der Körper. Kappellen, Häuser der heimlichen Treffen. Hier werden die toten Vorfahren beschworen, aber das unvollendete "Projekt Dziady" erweitert sich hin zur Beschwörung von Engeln. Ihre Flügel sind nicht schneeweiß. Eher grau, verrußt vom Rauch der ersterbenden Seelen. Noch einmal müssen wir das ganze innere mobilisieren, die ganze Pneumatik unseres Lebens, in sich einen weiten leeren Raum schaffen - leer wie die sibirische Ödniss. So leer, das sie anziehend ist. Den musikalischen Kern der Performance bilden byzantinische und sardinischen Ostergesänge sowie orthodoxe Irmos.

TEMPUS FUGIT

Ist eine Gruppe von Männern aus der Bruderschaft in Furia, die korsische, polyphone religiöse Lieder singen. Die Gruppe, die immer im (auch symbolischen) Kreis singt, wird hierbei zu einem Lied, erschafft einen einzigen Klangorganismus. Die Gruppe entdeckte von Neuem die religiösen Lieder der Region Nebbiu und untersucht Teile der verlorenen Messe "Vultum Tuum", einem römischen Werk aus dem XI Jhd., das eine ungewöhnliche "byzantinische" Farbe trägt.

Die Quintessenz ist die sogenannte Engelsstimme, die ihre Energie erst dann freisetzten kann, wenn zwischen den Menschen Harmonie herrscht.

Die Mitglieder der Gruppe Tempus Fugit wählten den Kreis als Symbol der von ihnen gesungenen Lieder und nehmen damit Bezug zur Art wie traditionell polyphone Lieder gesungen werden. Der erste Kreis hat geographische Bedeutung und beschreibt die Region, aus der die ausgewählten Lieder stammen, nämlich das korsische Nebbiu, eine neblige Region zwischen Balanga und Bastia. Der nächste Kreis bezieht sich auf die Musik und die Religion und oszilliert zwischen dem Wesen der reinen Harmonie, die in der Messe "Vultum Tuum", die der Hl. Maria gewidmet ist, und anderen Liedern, die in Karwoche gesungen werden.

("Vultum Tuum" - Messe "Dein Antlitz", bekannt auf Korsika schon seit dem VII. Jhd. Seit fast Tausend Jahren in Vergessenheit, wurde sie doch von Rom im XI.Jhd. verboten. Man spricht dem Werk wundervolle Wirkung zu. Wenn nämlich die innere Harmonie zwischen den Menschen und den Stimmen ideale Reinheit erreicht, besteht die Möglichkeit, dass Marias Antlitz sichtbar wird. Das ist Musik des Lichts, eine wirkliche Harmonie coelestis).

Der letzte Kreis - von der Natur des Geistes - kreist um das, was die Wurzel der Messe darstellt, was immer Erneuerung ist, gewebt aus dem kargen Licht der ersten Sterne und dem vorsichtigen Stich ihrer Lieder.

Die vokalen Partien erträumen ihre immer anderen, fließenden Formen, die - wie in einem Labyrinth - den Geist leicht führen, immer höher tragen, vom Segen zur Heiligkeit.

Die Sphäre der Erde, der Religion und des Geistes sind drei Ebenen, auf denen der traditionelle Gesang funktioniert; denn was anderes kann Identität sein, wenn nicht der Punkt, in dem die Gemeinschaft, der individuelle Glaube und die Teilnahme jeder einzelnen menschlichen Seele im Heiligen Geist sich treffen und als eines erklingen - in der Zeit.

THEATER SINEGLOSSA

SINEGLOSSA ist eine Künstergruppe mit verschiedenen Hintergründen, die die Beziehung zwischen Licht und menschlichen Körpern in Handlung untersucht.

Die Poetik dieser Gruppe ist weit entfernt von Popkultur, Zynismus, Nihilismus und leerem Spektakel.

Jede ihrer Vorstellungen ist das Ergebnis chirurgischer Präzision: ein mechanisch-atmender Organismus, die Synthese aller Empfindsamkeiten, Imaginationen und Menschlichkeiten der in das Projekt engagierter Schauspieler und zerbrechlicher Körper.

Sineglossa versucht nicht das alltägliche Leben durch Mimesis und Psychologie zu beschreiben, sondern nutzt visuelle Alegorien, um ungezählte Ebenen der Wirklichkeit aufzudecken. Das Publikum wird eingeladen, die Zeichen neu zu beschreiben, die allein in der subjektiven Beziehung zwischen der Performance und dem physischen, emotionalen und kulturellen Zustand der Betrachter Sinn ergeben.

"Handwerk" spielt eine bedeutende Rolle in ihrer Arbeit. Die Aufgabe, die sich Sineglossa stellen, ist es, analoge "high definition" Performances zu erstellen, ohne digitale bzw. technische Systeme zu nutzen. Wie in jedem Handwerk, nutzt auch Sineglosse in Abhängigkeit des künstlerischen Bedarfs eigens für ihre Arbeit erdachte Werkzeuge. Das ermöglicht der Gruppe eine tiefgreifende Erfahrung mit der Materie ihres Schaffens zu machen sowie das fundamentale Gefühl zu bewahren, Teil einer magischen Handlung zu sein, die sich nur während des Live-Moments auf der Bühne ereignen kann.

REMEMBER ME

Körper befinden sich in dem selben Raum wie die Leute, die diese anschauen; die Illusionen, die nur hier entstehen können, werden gleichzeitig durch das wesentliche und bewegende Privileg des Theater, dem hic et nunc enthüllt.

Die nach Aenaes Abfahrt leidende Dido bittet vor ihrem bevorstehenden Selbstmord darum, dass man sie in Errinnerung behält. Was wäre, wenn Aenaes im selben Moment das selbe bekannt geben würde? In der Zeit, in der all das sich ereignet, kehrt die mehrdeutige Stimme wieder, die "Dido´s Lament" aus der Oper "Dido und Aenaes von Henry Purcell singt.

"Remember me" ist aus männlichen und weiblichen Identitäten geboren, die erscheinen, sich durchdringen und verschwimmen, um schließlich ganz zu verschwinden; es ist eine Fragmentierung in Teile, die sich im selben Körper befinden, obwohl es unmöglich ist, sie sich in ihm vorzustellen; der Versuch, den Mythos von Dido und Aenaes als Schlüssel zur Gegenwart zu lesen. Die entscheidende Frage den Sinn der Repräsentation betreffend (Was geschieht hier? Was machen die Performer hinter diesen Bildschirmen, in diesem Licht?) erscheint hier parrallel zum Echo des Bildes, dass die beiden einander näher bringt.

"Surreal und visionär! "Remember Me" ist eine Komposition, in der visuelle und akustische Elemente auch ausgewogene Weise miteinander verwoben sind. Die Bildhaftigkeit der Vorstellung erinnert an den englischen Künstler Chris Cunningham"
[Gessica Franco Carlevero - KLP Teatro]

"Eine totale Metapher der menschlichen Existenz und eines Theaters in dem die Anweisenheit-Abwesenheit des Schauspielers/ der Rolle und die Unterscheidung Frau-Mann sich ergänzen und so eine ektoplasmatische Wirkung erzeugen[.] Die wirkliche Anwesenheit, die einen realen, visuellen Körper benötigt[.], macht aus dem Theater die einzig zeitgenössische Sparte der Kunst, die noch diesen Zug besitzt, den wir - wie Benjamin sagen würde - im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit verlieren. Unvergesslich, wunderschön, bewegend."
[Alessandro Pasano - Teatro.org]

Auf der Bühne: Simona Sala, Antonio Cesari
Singende Stimme: Diego Giannini
Lichtillusionen: Luca Poncetta
Musik: Roberto Vacca
Regie: Federico Bomba
Dauer: 20 min.

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